Tiertransporte | Nachtfahrten im Hochsommer
TIERTRANSPORTE. Die wenigen Tage in diesem Winter, als es im Oldenburger Münsterland kalt war, nutzten Dr. Stephan Kruse und Stefan Frerichs, um ihre Köpfe zusammenzustecken. Die Vion-Manager zogen sich in ein kleines Büro am Standort Emstek zurück und schauten auf Tabellen und Grafiken mit Anlieferzeiten und Stallkapazitäten. Daneben lag immer die Klimatabelle 2019, besonders ausgewiesen waren die Monate Juli, August und September. Kruse und Frerichs, verantwortlich für den Einkauf der Schlachtschweine, entwarfen in der kalten Jahreszeit ein Konzept für die heißen Monate des Jahres. Parallel dazu diskutierte auch Paul Daum, verantwortlich bei Vion für den strategischen Lebendvieheinkauf Rind, mit einem kleinen Team im südlichen Buchloe über mögliche Maßnahmen für Rindertransporte bei anhaltend hohen Temperaturen. Das Ziel muss sein, darin sind sich die Manager einig, Maßnahmen zu treffen, um die Tiere vor möglichem Hitzestress zu schützen.
Wir können die Klimaveränderung nicht ausblenden“, sagt Stephan Kruse. „Das vergangene Jahr hat uns gezeigt, dass wir für die Sommerzeit einen klaren Plan benötigen, der mit unseren Lieferanten frühzeitig abgestimmt wird.“ Einzelne Bundesländer, so Paul Daum, sind ebenfalls in der Diskussion. Er befürchtet,
dass es in den Bundesländern zu unterschiedlichen Temperatur- und Transportanforderungen kommen könnte, die die Transporte zusätzlich erschweren würden. So weit soll es 2020 nicht kommen, deshalb bereitet Vion ein Maßnahmenpaket vor.
Beispiel Emstek in Niedersachsen: Vions größter Schweineschlachtbetrieb in Deutschland mit einer Genehmigung für mehr als 10.000 verarbeitete Tiere am Tag verfügt über eine Stallkapazität von 1.500 Tieren. „Das reicht für zwei Stunden“, sagt Frerichs. „Damit können wir aber eine Tagesproduktion an unserem wichtigsten Standort nicht aufrechterhalten.“
Was also tun? Die Vion Zucht- und Nutzvieh sowie Erzeugergemeinschaften und Viehhändler als wichtigste Lieferanten für Rinder und Schweine werden frühzeitig in die Planung einbezogen. Nach dem Plan von Kruse, Frerichs und Daum könnte es – je nach Temperaturlage – im Hochsommer notwendig werden, die Tiere in den kühleren Nachtstunden zu fahren und anzuliefern. Frerichs: „Das ganze System muss darauf abgestimmt werden, nicht nur bei Vion, sondern auch bei den Landwirten und den Viehfahrern. Das bedeutet, dass unsere Bauern dann schon in den späten Abendstunden und mitten in der Nacht laden müssen.“ Für sie ist das wichtig, um die Futterrationen für die Tiere entsprechend anzupassen. Die Tiere sollen nüchtern angeliefert und schon einen halben Tag vor der Anlieferung von den Bauern auf Diät gesetzt werden.
Beispiel Waldkraiburg in Bayern: Vions größter Rinderschlachtbetrieb mit einer Kapazität von 5.000 Tieren in der Woche bereitet sich wie alle anderen Standorte auf die heiße Jahreszeit besonders vor. Auch dieser Betrieb, so Paul Daum, verfügt über eine Stallkapazität von zwei Stunden. Im Stall sorgt eine Lüftungsanlage bereits heute an heißen Tagen für eine frische Brise zur Entlastung der Tiere. Auch bei Rind werden bereits unterschiedliche Szenarien vorbereitet, u.a. auch, die Anlieferungen bei länger anhaltenden hohen Temperaturen z. B. in die kühleren Tages- und Nachtzeiten zu verlegen. Dies bedeutet dann eine Umstellung vieler externer sowie interner Prozesse. „Wir denken intensiv über angepasste Betriebsabläufe nach“, so Daum, „falls das Thermometer längerfristig in die Höhe steigt.“
Vion will alle Beteiligten informieren, damit sie vorbereitet sind. „Wir sind mit den Erzeugergemeinschaften und dem Viehhandel eng verzahnt“, so Kruse und Daum. Der Deutsche Wetterdienst liefert vorausschauend die Daten. Die Strategen bei Vion verlassen sich auf die Prognosen der Meteorologen, die mindestens mit einer Woche Vorlauf schon absehen können, wie hoch die Temperatur klettert.
Kruse hat vor einigen Jahren ein Slotsystem für die Anlieferung bei Vion in Emstek entwickelt, das inzwischen von vielen anderen Standorten übernommen wurde. „Wir wollen die Anlieferung der Tiere so organisieren, dass die Transporter ohne große Wartezeiten entladen werden können. Das gilt für alle Standorte von Vion“, so die Manager.
Stefan Frerichs, Geschäftsführer bei der Vion Zucht- und Nutzvieh, betont, dass die Maßnahmen im vergangenen Jahr schon gegriffen hätten. Die Planung für 2020 sollte einiges noch verbessern. Die Routen werden mit weniger Ladestellen geplant, „wir versuchen, dann größere Partien an einem Ort einzusammeln“, sagt Frerichs.
